Samstag, 13. Juli 2013

Predigt über Lukas 9,10-17 am 14. Juli 2013

Liebe Gemeinde,

die Geschichte von der wunderbaren Brotvermehrung war den Evangelisten so wichtig war, dass keiner sie ausgelassen hat und zwei die Geschichte sogar noch ein zweites Mal erzählten – als Geschichte von der Speisung der 4000. Bei dieser wunderbaren und wohlvertrauten Geschichte möchte ich sie heute zuerst einmal einladen, sich diese Szene in der Wüste auszumalen. Eine ungeheure Menschenmenge befindet sich da in der Einöde. Sie hören Jesus zu, ahnen, dass von seinen Worten eine grosse, eine befreiende Kraft ausgeht. Es sind vorwiegend einfache Menschen, Leute, die keine grossen Reichtümer besitzen, die von ihren alltäglichen Sorgen geplagt werden, die täglich neu im Kampf ums Überleben stehen und sehen müssen, wie sie sich und ihre Familien ernähren. Alle Blicke sind auf Jesus gerichtet. Sehen die Menschen überhaupt, wer da neben ihnen sitzt oder steht? Realisieren sie überhaupt, wie langsam die Abenddämmerung hereinbricht und der Hunger sich meldet?

Da melden sich die Zwölf zu Wort: Schick diese Leute weg, damit sie sich etwas zu essen kaufen. Gemeinsam haben sie Jesus zugehört. Nun sollen sie jeder für sich das tägliche Brot besorgen. Aber Jesus sieht das anders. Er will, dass die Leute satt werden - satt an Leib und Seele. Gebt ihr ihnen zu essen! Ist das nicht ein absolut unmögliches Unterfangen? Wie sollen sie denn Brot für so viele Menschen kaufen? Mit den 5 Broten und zwei Fischen, die da sind, ist ja nicht viel auszurichten! Aber Jesus beharrt darauf, die Menschen nicht wegzuschicken. Und das Wunder beginnt nicht mit der Vermehrung des Brotes und nicht einmal mit Jesu Dankgebet, sondern damit, dass Jesus die Menschenmenge verwandelt. Das ist viel mehr als eine organisatorische Randnotiz. Das ist ein ganz entscheidender Teil des Wunders. Und das habe ich vorhin auch gemeint, als ich sie eingeladen habe, sich die Szene in der Wüste auszumalen.

Da sind zuerst 5000 Männer, dazu Frauen und Kinder, eine einzige, unüberschaubare Masse. Und dann auf Jesu Wort hin, sitzen sie da in Gruppen zu 50. Plötzlich nehmen sie nicht mehr nur Jesus war, sondern auch die Menschen neben sich. Der Mensch neben ihnen bekommt ein Gesicht. sie fangen an, miteinander zu reden, Menschen, die sich bisher fremd gewesen sind. Und sie fangen an, miteinander zu teilen, zu essen, aufeinander zu achten und sich zu sorgen, dass keiner hungrig weggehen muss. „Lasst sie sich lagern in Gruppen zu fünfzig.“ Mit dieser einfachen Aufforderung verwandelt Jesus die anonyme Menge in Gemeinschaften, in denen eines das andere wahrnimmt. Keine abgeschlossenen Kleingruppen, erst recht kein Rückzug auf die Kleinfamilie, Fremde werden zu Nächsten, zu Menschen mit einem Gesicht. Unvorstellbar, dass da noch einer das seine, auch wenn es wenig ist, nur für sich behält. Unwahrscheinlich, dass die Gruppen sich verschliessen, wenn sie merken, dass die Nachbargruppe zu wenig hat. Diese friedlich in der Einöde lagernde Menge, die das Essen miteinander teilt, ist für mich ein zutiefst berührendes Bild. In diesem Bild steckt für mich die Utopie einer friedlich zusammenlebenden Menschheitsfamilie. Sie ist das Urbild eines Lebens, wie Gott es will. Menschen, die einander wahrnehmen und nicht nur auf sich selber bedacht sind, Menschen die teilen und darauf achten, dass es für alle reicht. Und unser Predigttext sagt uns: eine solche Welt ist möglich. Hört nicht auf, daran zu glauben. Lasst euch nicht entmutigen. Auch nicht durch scheinbar vernünftige Einwände und Bedenken. Am Ende der Geschichte sind alle satt, nicht nur notdürftig abgespeist und es ist mehr übrig, als am Anfang dagewesen zu sein schien.

Ja, die Geschichte von der wunderbaren Brotvermehrung ist auch eine Geschichte gegen unsere Bedenkenträgerei, unsere Übervorsicht, unseren Kleinglauben. Statt Bedenken zu tragen fängt Jesus an zu danken. Er dankt Gott für das, was da ist. Er fängt einfach an und sieht zu, was daraus wird, wenn einer anfängt zu teilen - zu teilen, was scheinbar viel zu wenig ist, nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Diese Einladung, einfach mit dem anzufangen, was da ist, die Skepsis und die Bedenken über Bord zu werfen, sie durchzieht die ganze Botschaft Jesu, sie begegnet uns nicht nur im heutigen Predigttext. Mehrfach wird uns erzählt, wie Jesus seine Jünger auffordert, die Netze auszuwerfen – und siehe, sie machen einen wunderbaren Fang. In den Geschichten, in denen Menschen Heilung erfahren, lobt Jesus das Vertrauen und die Beharrlichkeit der Betroffenen. „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Und immer sind es nicht nur gute Worte, die Jesus zu bieten hat, sondern Leben, Heilung, Nahrung, Gemeinschaft und Vergebung. Im Gleichnis von den anvertrauten Talenten werden wir eingeladen, das, was da ist nicht ängstlich zu vergraben, sondern mit den uns anvertrauten Talenten zu wuchern. Und auch in den Geschichten von den Begegnungen mit dem Auferstandenen geht es ja entscheidend darum, dass Menschen wieder Glauben und Vertrauen lernen und ihre Mutlosigkeit und Trauer überwinden, dass sie glauben können, dass das Leben stärker ist als der Tod.

Wie nötig haben wir diese ermutigende Botschaft gerade heute. Ich denke dabei zuallererst an den Blick für den Nächsten, der in der anonymen Menge allzu oft verloren zu gehen droht. Wir haben es dringend nötig, dass aus Einzelkämpfern Menschen werden, die aufeinander achten und zueinander schauen. Das heisst ganz und gar nicht, dass wir öffentliche Sozialsysteme durch private nachbarschaftliche Hilfe ersetzen sollten. Im Gegenteil, wer im Nächsten den Menschen mit einem Gesicht, mit seinen Gefühlen, Nöten und Bedürfnissen sieht, der wird vielleicht auch vorsichtiger mit dem Generalverdacht, Bezüger von Sozialleistungen seien Schmarotzer und faule Cheibe. Aber was keine staatliche Fürsorge und kein Gesetz wirklich leisten kann, das ist die menschliche Wärme und Zuwendung, die Menschen in persönlicher Zuwendung ihren Nächsten und auch den Fremden, die ihnen zu Nächsten werden, geben können. Das ist das, was die Bibel Nächstenliebe nennt, eine Nächstenliebe, die nicht an den Grenzen der Familie, des Dorfes, des Landes enden darf.

Und wenn wir in unserer Geschichte einmal Brot und Fische durch Zeit ersetzen, dann können wir noch einmal eine Entdeckung machen. Wie wäre es, wenn uns die Geschichte dazu einladen würde, unsere Zeit grosszügig miteinander zu teilen? Wer heute Zeit hat, der darf das ja fast nicht mehr zeigen, um nicht als faul zu gelten. Alle sind im Stress und es gehört zum guten Ton, dass man betont, wie gestresst und überlastet man ist. Es ist ja für sehr viele auch eine Realität und ich möchte da ganz und gar nichts verniedlichen oder Vorwürfe machen. Ich selber kenne solche Momente, wo es einfach zu viel ist, sehr gut. Trotzdem kann uns die Geschichte von der Brotvermehrung lehren, uns zumindest von dem Zwang zu lösen, uns immer im Stress zu fühlen und das Gefühl zu haben, es sei nie genug. Vielleicht können wir dann wieder neu entdecken, dass die Zeit ein Geschenk ist, das uns anvertraut ist, damit wir sie füreinander einsetzen. Und wir könnten dann die Entdeckung machen, dass verschenkte Zeit reicher macht, dass die Zeit, die ich für einen anderen Menschen einsetze, ganz und gar nicht verlorene Zeit ist.

Und vor allem ist mir an der Geschichte wichtig, dass sie uns sagt: das, was da ist, ist genug. Habt einfach den Mut, es auch voll Vertrauen einzusetzen. Ihr müsst nicht mehr einsetzen als ihr habt, ihr müsst nicht mehr Zeit verschenken als ihr könnt. Auch wenn das, was da ist, wenig zu sein scheint – es ist genug. Setzt es ein und seht zu, was daraus wird. Das gilt sogar für unseren Glauben. Auch da sollen wir uns nicht damit plagen, ob wir denn tief und fest genug glauben und wir müssen uns nicht unsere Zweifel und unsere Unsicherheiten zum Vorwurf machen. Nein, wir dürfen dankbar annehmen, was uns an Glauben, an Vertrauen geschenkt ist. Und vor allem brauchen wir unseren Glauben, unsere bescheidenen Erfahrungen nicht ängstlich für uns selbst behalten. Auch im Glauben gilt, dass teilen reicher macht und dass das Wunder beginnt, wo Menschen einander wahrnehmen, sich selbst und einander und darin Gott etwas zutrauen und einfach anfangen, ohne alles vorauszuberechnen und sich durch scheinbar realistische Bedenken entmutigen zu lassen. Das Bild der friedlich sich lagernden Menschheitsfamilie, die miteinander teilt, so dass alle satt werden an Leib und Seele, sie mag eine Utopie sein. Aber wenn wir an dieser Utopie nicht mehr festhalten, wird das Leben unmenschlich. Wo aber jeder das Seine beiträgt – im Vertrauen darauf, dass bei Gott alle Dinge möglich sind – da kann Vertrauen wachsen und Leben sich verändern, oftmals nur klein und unscheinbar und doch ganz real. Dieses Vertrauen möge Gott uns immer wieder neu schenken, damit wir erfahren dürfen, dass Teilen reicher macht. Amen.

Predigt über Joh 7,53-8,11 am 16. Juni 2013 in der Klosterruine Rüeggisberg

Liebe Gemeinde

Vielleicht fragen sie sich: warum erzählt er uns diese alte Geschichte- und das ausgerechnet heute, wo ihr, Michelle und Simon euren Mael taufen lasst und wo mein Kollege CG und seine Frau E. das Fest ihrer Goldenen Hochzeit feiern? Da erzähle ich ihnen die Geschichte einer Ehebrecherin. schon das Wort tönt ja eher vorgestrig. Wir haben akzeptiert, dass Beziehungen zerbrechen können. Und die Vorstellung, Ehebruch könne ein todeswürdiges Verbrechen sein, ist uns - hoffentlich - ziemlich fremd.

Mag sein, dass sie nun die leise Befürchtung haben, der Herr Pfarrer könnte die Gelegenheit zu einer Moralpredigt nutzen. Dann kann ich sie beruhigen. Das ist nicht meine Absicht. Oder fängt der Pfarrer jetzt auch schon an, über das Ideal offener Beziehungen zu philosophieren und alle moralischen Vorstellungen über Bord zu werfen? Auch das ist mir fremd. Ich finde diese Geschichte aus dem Joh ganz einfach faszinierend und berührend und ausserordentlich lehrreich.

Zuerst einmal lade ich sie ein zu einem kleinen Gedankenexperiment: Stellen sie sich die Geschichte einfach einmal ohne Jesus vor. Dann kämen also Schriftgelehrte, die damals Experten in religiösen Fragen und Richter in weltlichen Angelegenheiten waren mit einem scheinbar eindeutigen Rechtsfall. Eine Frau hat Ehebruch begangen. Aber statt zu urteilen, fragen sie zuerst einen Wanderprediger, der formal keinerlei Autorität in solchen Dingen hat. Fragen wir uns einmal ganz ehrlich: Wem hätten wir zugestimmt und Beifall geklatscht, wenn dieser Wanderprediger nicht Jesus wäre? Oder wenn wir gefragt worden wären, was hätten wir wohl geantwortet? Hätten wir uns nicht doch eher auf die Seite der Vertreter von Gesetz und Moral gestellt - natürlich nicht mit diesem altertümlichen Strafmass, aber doch im moralischen Urteil. Ich verzichte jetzt auf die unschönen Ausdrücke, mit denen wir die Frau womöglich bedacht hätten …

Oder soll ich sie noch zu einem heikleren Gedankenexperiment einladen? In Liebesdingen sind wir ja toleranter geworden. Aber stellen sie sich einmal vor, Polizisten brächten einen straffällig gewordenen Asylbewerber zu uns, auf frischer Tat ertappt bei einem schweren Einbruch. Und sie würden uns fragen: Soll man diesen Mann ausschaffen? Manche würden dem wohl sofort zustimmen - ohne lange nach der Geschichte und den Beweggründen dieses Menschen zu fragen. Und was würde Jesus wohl dazu sagen?

Aber kommen wir zurück zur Geschichte aus dem Johannesevangelium. Erlauben sie mir ein paar Randbemerkungen: Wir haben uns daran gewöhnt, uns die Schriftgelehrten als sture und herzlose Männer vorzustellen. Im Johannesevangelium heisst es, sie wollten Jesus eine Falle stellen. Aber könnte es nicht auch sein, dass sie nach einem Weg suchten, Barmherzigkeit zu üben und das scheinbar so eindeutige Urteil nicht auszusprechen? Sie hatten ja formal die Autorität - nicht Jesus. Und noch eine Randbemerkung: Die Angeklagte ist die Frau, aber zum Ehebruch gehören bekanntlich zwei. Warum ist vom Mann keine Rede?

Aber das sollen nur Randbemerkungen sein. Ich möchte mich auf vier Dinge konzentrieren: 1. Hütet euch vor schnellen moralischen Urteilen und reduziert niemals einen Menschen auf seine Verfehlungen. 2. Projeziert nicht eure eigenen Fehler oder eure ungelebten Sehnsüchte, eure Phantasien auf andere. 3. Nehmt den ganzen Menschen wahr, auch seine Verletzungen und ungestillten Sehnsüchte. Und 4. Verzichtet trotzdem nicht auf moralische Massstäbe. Die Ehebrecherin nicht zu verurteilen heisst nicht, den Ehebruch gutzuheissen.

Fangen wir beim ersten Punkt an: Wie oft nehmen wir die offensichtlichen Fehler der anderen wahr. So wie die Schriftgelehrten mit dem Finger auf diese Ehebrecherin zeigen. Und es ist ja auch ein gutes Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen. Vielleicht zögern wir zuerst noch, aber wenn mal jemand angefangen hat, über jemanden zu richten, dessen Fehler offensichtlich sind, macht so mancher gerne mit und es braucht viel Mumm, dann dagegen zu halten. Jesus hat diesen Mumm. Er macht die Männer auf etwas aufmerksam, was ein Sprichwort so treffend beschreibt: Wenn wir mit einem Finger auf andere zeigen, weisen vier Finger auf uns selber zurück. „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“ So einfach und so entwaffnend ist Jesu Reaktion. Allerdings - auch Jesus verschafft sich zuerst einmal etwas Bedenkzeit und reagiert erst mal gar nicht, sondern schreibt mit dem Finger auf die Erde. Und nach der entwaffnenden Antwort lässt er diese Männergesellschaft einfach stehen und schreibt weiter auf die Erde. Er lässt sich erst gar nicht auf moralische Diskussionen ein. Egal, was dieser Frau vorzuwerfen ist - niemand hat das Recht, den Stab über sie zu brechen, ganz gewiss nicht, solange er sich nicht für ihre Sehnsüchte und Lebenserfahrungen interessiert hat. Und niemals dürfen wir einen Menschen auf seine Verfehlungen reduzieren. Übrigens heisst das auch, dass wir nicht einfach mit dem Finger auf die Schriftgelehrten zeigen sollten.

Wenn wir im Begriff sind, jemanden moralisch zu verurteilen, sollten wir uns zuerst einmal für diesen Menschen, seine Geschichte, seine Verletzungen, Enttäuschungen und Sehnsüchte interessieren. Und - das ist nun das Zweite - wir sollten uns selbst überprüfen, ob wir nicht vorschnell geurteilt haben und wo wir mindestens ebenso Anlass haben, über uns und unsere Fehler nachzudenken. Und so manche moralische Verurteilung mag zumindest zum Teil auch Projektion unserer eigenen Phantasie oder unserer ungelebten und ungestillten Sehnsüchte sein.

Und das Dritte: Nehmt den ganzen Menschen wahr, statt zu verurteilen. Vielleicht hat die Frau in dieser Beziehung - die man faktisch nur als Ehebruch bezeichnen kann - zum ersten Mal in ihrem Leben oder seit langem wieder Verständnis und Zuwendung erlebt. Oder sie hat eine Lebensfreude und Vitalität in sich gespürt, die schon längst erloschen schien. Sie hat womöglich eine Wärme und Zärtlichkeit erfahren, die ihr so schmerzlich gefehlt haben. Sie hat vielleicht das neue Gefühl entdeckt, sich einfach hingeben und fallen lassen zu können. Vermutlich hat sie sich selbst all die moralischen Fragen gestellt, mit denen sie nun konfrontiert wird. Aber dieses neue, belebende und bereichernde Gefühl war ihr wichtiger und kostbarer als alles andere. Wenn die Schriftgelehrten all das bedacht hätten, wären sie vielleicht vorsichtiger gewesen mit ihrem moralischen Urteil.

Allerdings - und das ist nun das vierte: bei aller Liberalität und allem Verständnis - Jesus ist weit davon entfernt, das Ideal freier Liebe und offener Beziehungen zu predigen. Denn immer ist da ja auch eine Partnerin oder ein Partner, die oder der sich zurückgesetzt fühlt, deren Vertrauen schwindet, der verletzt wird. Und auch diese schmerzlichen Gefühle sind Teil der Geschichte. Meine persönliche Überzeugung ist: Beziehungen sind keine Besitzverhältnisse. Sie brauchen eine gewisse Offenheit, um lebbar und lebendig zu bleiben. Aber sie brauchen auch ein Mass an Exklusivität und Einzigartigkeit. Sie brauchen einen Bereich, der unteilbar und unantastbar ist. Denn jeder Mensch hat das Bedürfnis, irgendwo an erster Stelle zu stehen und sich darauf auch verlassen zu können.

Jesus sagt zu der Frau: „Auch ich verurteile dich nicht.“ Aber er sagt auch: „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ Er heisst nichts gut, rechtfertigt nichts. Aber er schafft Raum, in dem diese Frau aufatmen kann, das Gesicht wahren kann. Aus dieser Erfahrung, als Mensch angenommen zu sein, kann etwas wachsen. Sie kann in sich selber finden, was sie in dem anderen gesucht hat. Vielleicht kann sie dabei sogar die Erfahrungen dieser Beziehung mitnehmen und fruchtbar machen.

So wie Jesus diese Frau nicht verurteilt, so verurteilt er auch uns nicht. Das ist ein befreiendes Gefühl. Wir dürfen so sein, wie wir sind. Dann können wir auch durchaus selbstkritisch sein. Weil da einer ist, der uns akzeptiert, der uns zu einer Vitalität und Lebendigkeit befreit, die wir uns vielleicht gar nicht (oder nicht mehr) zugetraut haben. Und in diesem Geist können wir andere akzeptieren, so wie sie sind - mit Grosszügigkeit, Wärme und Respekt. Amen.