Samstag, 15. Mai 2010

Predigt zum Muttertag, 9. Mai über Jes 66,5-14a und Röm 8,26-30

Liebe Gemeinde,
heute ist Muttertag. Vielleicht sind die Mütter unter Ihnen am Morgen schon mit Blumen beschenkt worden oder haben für einmal den Tisch zum Zmorge gedeckt vorgefunden. Hoffentlich haben sie so das eine oder andere Zeichen der Dankbarkeit erfahren. Ich weiss nicht, wie es ihnen mit dem Muttertag geht. Für mich hat er etwas Zwiespältiges: Sicher, die Mütter haben es gewiss verdient, dass ihnen zu Ehren und als Dank ein besonderer Tag gefeiert wird. Gerade weil im Alltag Haus- und Familienarbeit oft allzu selbstverständlich ist und kaum Dank und Anerkennung einbringt, tut es gut, wenn Mütter zumindest an diesem Tag Dank und Anerkennung spüren dürfen.
Aber zwiespältig ist das, weil es eben mit einem Blumenstrauss, einer Einladung zum Mittagessen oder auch einer Sonntagspredigt an diesem besonderen Tag nicht getan ist. Denn wenn nicht etwas von alledem auch im Alltag zu spüren ist, dann bleibt es fade und kommt nicht wirklich von Herzen.
Ich habe deshalb für den heutigen Gottesdienst zwei Bibeltexte ausgesucht, die nicht eigentlich von Müttern handeln, die uns aber mit ihren mütterlichen Bildern ansprechen wollen. In der Schriftlesung aus dem Buch Jesaja heisst es von Gott: "Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet." Auch heute sind wir es noch eher gewohnt, Gott als Vater, Herrn, Allmächtigen anzureden. Gott aber ist auch und vor allem einer der tröstet, der trösten kann wie eine Mutter. Und ich denke besonders Mütter verstehen sehr gut, was dieses Bild bedeutet: das untröstliche Kind in die Arme nehmen, es ganz fest an sich drücken, den Kopf auf der Brust, mit zärtlichen Händen über Haare und Wange streichen, vielleicht ein Liedlein summen oder mit sanften Worten gut zureden, geduldig und behutsam abwarten bis die Tränenflut verebbt und das Kind spürt: es wird wieder gut. Wie oft haben sie, liebe Mütter, das schon getan. Und der Prophet Jesaja sagt uns: genau so ist Gott. Wie eine liebende und tröstende Mutter ist er für uns da und hält uns. Und die heilige Stadt Jerusalem schildert der Prophet im Bild einer Gebärenden und einer Mutter, die ihr Kind säugt. Und das Heil, die Erfüllung schildert er in mütterlichen Bildern: "Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an dem Reichtum ihrer Mutterbrust. Denn so spricht der HERR: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Ihre Kinder sollen auf dem Arme getragen werden, und auf den Knien wird man sie liebkosen."
Ein wunderbares Bild für das Heil, das Gott uns schenkt. Und auch ein wichtiger Hinweis dafür, dass im Tun von Müttern Gott am Werk ist und Heil und Leben schafft. Auf der Weitergabe des Lebens, auf mütterlicher Liebe und Treue ruht Gottes Segen, darin liegt göttliche Kraft. Und ich denke auch wir Männer sollten darauf achten, die mütterlichen Seiten in uns zu entdecken und zu leben. Auch wir können trösten und herzen und liebkosen. Und mit etwas Übung sind wir auch für die ganz praktischen Dinge in Haus und Familie nicht zu ungeschickt.
Aber wenn wir so die mütterlichen Seiten Gottes betonen, uns das Heil in mütterlichen Bildern vor Augen führen und ins Herz legen lassen, dann kann das auch die Mutterrolle glorifizieren. Mütter kennen aber die Schattenseiten sehr gut, angefangen bei der Geburt. Deshalb noch ein zweiter Bibeltext, diesmal aus dem Röm 8,26-30:
26 Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen.
27 Der aber die Herzen erforscht, der weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist; denn er vertritt die Heiligen, wie es Gott gefällt.
28 Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem [a ] Ratschluß berufen sind.
29 Denn die er ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, daß sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der [a ] Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.
30 Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen; die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht.
Einige Verse vor unserem Textabschnitt schreibt Paulus: Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und in Wehen liegt. Auch hier wieder das Bild der Gebärenden, aber dieses Mal geht es um das Seufzen und Stöhnen, um die Schmerzen der Geburt, um die Lasten und Schmerzen, die zu unserem Leben gehören.
Vom Seufzen und Stöhnen wissen Mütter wohl so manches zu erzählen, wie gesagt, angefangen bei den Schmerzen der Geburt. Am Anfang sind es vielleicht unruhige Nächte, die Unsicherheit, was das Kind braucht. Später dann die Hilflosigkeit, wenn die Kinder trotzen oder wenn sie auf den blanken Nerven herumtanzen. Krankheiten sind vielleicht mit zu durchleiden. Oder all die Schulsorgen, der Kummer und die Nöte des Erwachsenwerdens, die Gefahren, die man überall sieht und vor denen man die Kinder nicht wirklich bewahren kann, der erste Liebeskummer, die Schwierigkeiten, den eigenen Weg zu finden. Ja und - die Älteren wissen das sehr gut – auch wenn die Kinder erwachsen sind, hört das ja nicht auf. Kann man einen Kontakt halten, der beide Seiten bereichert. Und wenn die Ehe der Kinder kriselt und man nicht hineinreden kann und darf und trotzdem mitleidet. Oder sich Sorgen um die Enkel macht. Oder einfach mehr Dankbarkeit oder Zuwendung erhofft und erwartet. Oder selber alt geworden ist und sich einsam fühlt?
Es ist gut, dass die Bibel das Seufzen und Stöhnen nicht unterschlägt, dass die Sorgen und Nöte von uns Menschen und ganz besonders von Müttern darin Platz finden. Vor allem aber, dass der Predigttext aus dem Römerbrief uns eine Kraft verheisst, die unser Seufzen und Stöhnen aufnimmt und vor Gott bringt. Auch wenn wir nicht wissen, was wir beten sollen, wenn wir nicht mehr die richtigen Worte finden, zu müde, zu ratlos sind: der Geist vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen. Dass unser Seufzen an Gottes Ohr dringt, dass wir gar nicht die richtigen Worte finden müssen, sondern manchmal eben unser Seufzen und Stöhnen Gebet genug ist, das kannn trösten und entlasten. Es kommt nicht allein auf uns und unsere Kraft an. Wir dürfen loslassen, dürfen das was unsere Kräfte übersteigt, in die Hände eines anderen legen, der immer schon über uns wacht wie eine Mutter über ihre Kinder. Wir begreifen wohl manchmal nicht, was mit uns geschieht, warum die Dinge so sind, wie sie sind und was daran gut sein soll. Aber "wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum besten dienen." Mit diesem Vertrauen sollen und dürfen wir leben, die Mütter zuerst, aber auch alle anderen Menschen. Es hängt nicht alles von uns ab. Wir Menschen stossen an Grenzen, wissen nicht mehr weiter, werden aneinander schuldig. Gott aber ist treu und er vergibt, er gibt neue Kraft, schenkt neue Anfänge, bleibt bei uns bis ans Ende unserer Tage und darüber hinaus. Amen.

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