Samstag, 17. Juli 2010

Predigt vom 18. Juli 2010 zu Apostelgeschichte 2,41-47

Liebe Gemeinde,

unser heutiger Predigttext führt uns zu den Anfängen der christlichen Gemeinde, der Kirche. Da könnten wir schon ein wenig neidisch werden, angesichts unserer sonntäglich kleinen Schar, wenn wir von dieser boomenden Urgemeinde lesen. 3000 neue Mitglieder an einem einzigen Tag und täglich wurden neue hinzugefügt. Und vielleicht auch etwas ärgerlich, wenn die so mit ihren Wachstumsziffern plagieren. Wird da nicht einiges übertrieben und idealisiert? Wahrscheinlich schon, denn die Apostelgeschichte ist mit einem Abstand von einem halben Jahrhundert zu den Anfängen der christlichen Gemeinden geschrieben und vermutlich war die Wirklichkeit zur Zeit des Lukas längst nicht mehr so ideal wie zur Zeit des Aufbruchs. Und sie konnte es auch nicht sein, wohnt doch den Anfängen und Aufbrüchen immer ein ganz besonderer Zauber, eine ganz besondere Energie inne - sei das in einem neuen Projekt, in einem neugegründeten Unternehmen, in einem Verein, in einer Familie, in einer Kirche. Es wäre unfair und würde niemanden helfen, die Energie und die Wachstumsziffern des Anfangs zum Massstab zu machen und die Gegenwart daran zu messen - sei das zur Zeit des Lukas oder heute.

Lukas erzählt den Christen am Ende des 1. Jahrhunderts diese Geschichte nicht, um sie an solchen beeindruckenden Wachstumsziffern zu messen. Er will sie ins Nachdenken bringen, was denn das Geheimnis dieses Anfangs war, was die Urgemeinde für viele Menschen so attraktiv und glaubwürdig machte. Für Lukas sind es nicht grossartige Prediger oder spektakuläre Ereignisse - auch wenn man das Pfingstgeschehen durchaus spektakulär nennen darf. Es sind ganz einfache Dinge: die Lehre der Apostel, die Gemeinschaft, das Brotbrechen und das Gebet. Und in alledem war es für Lukas das Wirken Gottes, sein pfingstlicher Geist, der die Gemeinde stärkte.

Woran aber zeigte sich dieser besondere Geist? Ich denke als erstes an die Gastfreundschaft. Die ersten Christen trafen sich in Privathäusern, die Gottesdienste waren oft mit gemeinsamen Mahlzeiten verbunden. Unsichtbar stand wohl über diesen christlichen Häusern das Schild „Herzlich willkommen“ und diese Gastfreundschaft wurde gelebt nicht nur gegenüber Menschen mit gleichem Rang und Status. Hier war tatsächlich der Sklave genauso willkommen wie der Grundbesitzer, die vornehme Dame wie die arme Witwe, der Bauer wie der Handwerker oder der Knecht. Weil sie glaubten, dass sie alle unterschiedslos von einer göttlichen Liebe und Zuwendung lebten, die sich niemand selber verdienen konnte, verloren bestehende Unterschiede an Bedeutung. Gerade für die, die sonst am Rande standen, war das eine befreiende Botschaft. Die, die den Massstäben der Gesetzestreuen nicht genügten, konnten aufatmen. Für die Wohlhabenden und Vornehmen war es vermutlich auch ein Lebensgewinn, nicht ihren Status zeigen und verteidigen zu müssen, sondern ihren Besitz und ihre Fähigkeiten für andere einsetzen zu können. Sie merkten plötzlich: wenn wir die Unterschiede und unsere Vorurteile aufgeben und nicht mehr uns und unseren Besitz verteidigen, sondern miteinander teilen, dann werden wir alle reicher und zufriedener.

Dass alle gleichrangig und gleich wertvoll sind, das war besonders beim Brotbrechen, bei der Feier des Abendmahls zu spüren. Leben wir nicht alle letztlich von dem, was Gott uns schenkt? Dürfen wir nicht alle auf Vergebung vertrauen, wo wirscheitern und Fehler machen? Wie sollten wir Grenzen ziehen, wenn Jesus alle eingeladen hat? Im Brechen des Brotes spürten sie, dass da etwas ist, das stärker ist als alles Trennende. Denn es sind ja nicht ihre gemeinsamen Interessen, die sie verbinden und auch nicht ihre Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe, einer gesellschaftlichen Schicht, einem Vaterland - nein, verbunden wussten sie sich in ihrem Vertrauen, dass Gottes Liebe allen gilt und sie in Christus miteinander verbunden sind und dazu berufen, füreinander einzustehen und zueinander Sorge zu tragen. Im Ritual des Brotbrechens erkannten sie: auf die Liebe und Hingabe Jesu können wir uns verlassen und weil das so ist, wollen wir so miteinander leben, dass eines sich auf das andere verlassen kann und niemand im Stich gelassen wird.

In alledem blieben sie beständig in der Apostel Lehre. Sie vergassen nicht, dass sie ihr Leben und ihr Glück nicht sich selbst verdankten, sondern dem Geber allen Lebens. Sie vertrauten darauf, dass ihr Leben einen tieferen Grund und ein Ziel hat. Sie trauten der Kraft der Vergebung und der Kraft der Gemeinschaft. Sie feierten miteinander Gottesdienst, sangen und beteten und hörten auf die Worte der Schrift und auf die Geschichten von Jesus.

Und sie hielten fest am Gebet. Allein und in Gemeinschaft konnten sie Gott danken für das Gute in ihrem Leben und sie konnten ihm anvertrauen, was ihnen Sorgen und Kummer bereitete. So konnten sie bewusster und zugleich gelassener leben, denn ihre Dankbarkeit liess sie das Gute achtsamer wahrnehmen und in ihren Bitten und Klagen vertrauten sie darauf, dass sie in ihren Sorgen und Lasten nicht alleine waren. Es waren Geschichten vom guten Leben, die sie einander erzählten - nicht von einem Leben, das nur Gutes mit sich bringt, nur Glück und Erfolge, aber von einem Leben, dass auch im Schweren und in den Misserfolgen gut bleibt, weil es Gottes Gabe ist, weil wir es miteinander teilen können, weil Gott uns die Kraft geben will, die wir brauchen.

Welche Geschichten vom guten Leben wollen wir einander und unseren Kindern erzählen? Welche Geschichten wollen wir dem kleinen Nick, den wir heute getauft haben erzählen? Sind es Geschichten, in denen Menschen hart und stark sein, etwas aus sich machen und sich durchsetzen müssen? sind es Geschichten, die von den Erfolgreichen und vom Glück des Besitzes reden? Oder sind es Geschichten, die von der Liebe, von der Achtsamkeit, von geteilter Freude und geteiltem Leid handeln? Sind es Geschichten, in denen jeder seines Glückes Schmied ist oder Geschichten, in denen jeder das Seine getrost aus Gottes Hand annehmen kann. Heisst es in unseren Geschichten „gut ist, was sich lohnt“ oder „gut ist, was dem anderen hilft“? Kommt Gott in unseren Geschichten überhaupt vor und wenn ja, ist er dann der kontrollierende Übervater oder der liebevolle und verlässliche Grund allen Lebens. Und erzählen wir unsere Geschichten so, dass die anderen, dass unsere Kinder sie glauben können, weil wir so leben?

Möge Gott uns die Augen dafür öffnen, wie unser Leben gelingen kann und uns helfen, dass wir einander Mut zu einem Leben machen, dass uns miteinander und mit dem Grund unseres Lebens verbindet. Amen.

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