Sonntag, 28. August 2011

Predigt zu Matth 7,24-27 am 28. August 2011

Liebe Gemeinde,

das Leben ist eine Baustelle. Das ist der Titel eines deutschen Spielfilms, der vor einigen Jahren im Kino lief. Ich habe keine Ahnung mehr, worum es in diesem Film genau ging, aber ich finde, dieser Filmtitel drückt ein weit verbreitetes Lebensgefühl aus und er passt ganz gut zu unserem heutigen Predigttext. Denn auch da verwendet Jesus das Bild vom Hausbau. Doch während der Filmtitel auf die Fragilität unseres Lebens anspielt, auf die wohl unvermeidliche Erfahrung, dass wir heute ständig irgendwie damit beschäftigt sind, uns unser Lebenshaus zusammen zu basteln, geht es Jesus um den Grund auf dem unser Lebenshaus steht. „Jeder, der diese meine Worte hört und danach handelt, ist einem klugen Mann gleich, der sein Haus auf Fels gebaut hat.“

Unser Leben als ein Haus, das auf Felsen gebaut ist und in allen Stürmen Bestand hat - dieses Bild spricht eine tiefe Sehnsucht in uns an. Je stärker unser Leben von Erfahrungen des Wandels und der Instabilität geprägt ist, desto mehr sehnen sich viele Menschen nach Stabilität, Halt und Sicherheit. Gerade darin liegt aber auch das Gefährliche dieses Bildes. Es könnte die falsche Illusion wecken, es gäbe eine Möglichkeit, den Wandel und die Instabilität einfach aufzuhalten. Und dann bauen wir unser Lebenshaus statt auf felsigem Grund auf falschen Sicherheiten: wenn es nur wieder so wäre wie früher… wenn es weniger Konsumverführungen gäbe … wenn Ehepaare sich nicht so leicht trennen würden … wenn sich nicht alles an Geld und Gewinn orientieren würde …wenn die Jungen noch Anstand und Ordnung lernen würden… wenn die anderen, die Fremden nicht da wären. Sie werden bei einigen dieser Wenn-Sätze spüren: da ist ja auch manches Körnchen Wahrheit darin. Gerade als Christen haben wir ja durchaus eine Affinität zu konservativen Werten wie Treue und Verlässlichkeit, Bescheidenheit und Rücksichtnahme. Problematisch werden sie, wo wir mit ihnen eine Verklärung der Vergangenheit betreiben und den Wandel aufhalten und das Andere, das Fremde und die Fremden ausgrenzen und verantwortlich machen für unsere eigene Verunsicherung.

Es gibt keine einfache Rückkehr zu stabilen, sicheren Traditionen, wir können unser Lebenshaus nicht für alle Zeiten stabil errichten. Aber die Frage ist ja, auf welchem Fundament, auf welchem Grund wir die ganzen Um- und Ausbauten, Neubauten und Renovationen unseres Lebenshauses vornehmen. Einen Grund, der nicht Wandel und Instabilität verhindert und aufhält (wie sollte er das auch!), sondern einen Grund, der uns Halt gibt, weil er tiefer liegt und derselbe bleibt, gestern, heute und in Ewigkeit - wie es im Hebr heisst.

Wir sind so sehr mit den Bauarbeiten an unserem Lebenshaus beschäftigt, dass wir uns gar nicht mehr darauf besinnen, welches der Grund ist, auf dem unser Lebenshaus einen sicheren Stand haben kann. Und im Unterschied zu einem Haus aus Stein können wir eben bei unserem Lebenshaus den Grund und das Fundament nicht so verstehen, dass es, wenn es erst einmal ausgesucht und errichtet ist, nun ein für alle mal gegeben ist. Diesen Grund müssen wir immer wieder suchen, uns in Erinnerung rufen, er ist manchmal verschüttet und vernachlässigt. Was Sand und was Fels ist in unserem Leben, dass steht nicht ein für alle mal fest, sondern zeigt sich oft erst im Verlauf unseres Lebens erst im Nachhinein.

Deshalb gibt Jesus auch keine eindeutigen Definitionen für diesen Felsen, auf dem wir unser Leben bauen können. Denn was es heisst, die Worte Jesu zu hören und zu tun, dass gilt es ja im eigenen Leben immer wieder neu zu entdecken, freizulegen, wahrzunehmen. Etwas zeigt uns dieses Bild Jesu aber sehr deutlich: viel zu oft verwechseln wir das Haus oder gar nur die Inneneinrichtung mit dem Lebensgrund. Wir meinen, wir könnten unser Lebenshaus auf unseren grossartigen Leistungen bauen. Oder wir halten materiellen Wohlstand oder unsere Vorsorge für die Zukunft für einen stabilen Grund. All dies gehört zu unserem Lebenshaus und seiner Inneneinrichtung und es ist schön, wenn wir unser Lebenshaus damit bauen und ausgestalten können, aber gründen können wir es nicht darauf.

Wir können den Grund unseres Lebenshauses nicht selber legen. Den felsigen Grund unseres Lebenshauses finden wir vor. Es ist nichts, was wir selber machen können, aber es ist auch keine Lehre oder Ideologie, in die wir uns bedingungs- und gedankenlos einfügen sollen. Ich sage das so betont, weil auch heute noch viele Menschen den christlichen Glaubensgrund mit einer feststehenden Lehre, mit einer Art Ideologie verwechseln. Hier ist das Bild vom Bauen auf Felsen missverständlich. Es kann auch in die Irre führen. Der Glaubensgrund, von dem Jesus redet, ist mehr ein Weg, der zu gehen ist, als ein Standpunkt, den wir einnehmen können. Jesus sagt: „Jeder, der diese meine Worte hört und danach handelt, ist einem klugen Mann gleich, der sein Haus auf Fels gebaut hat.“ Es geht ums Hören und Tun - nicht ums Jasagen. Und das, was zu hören und zu tun ist, das sind die Worte der Bergpredigt. Es geht um die Frage: in welchem Geist, in welcher Grundhaltung können wir eigentlich gut und sinnvoll leben. Und da hat die Bergpredigt in der Tat einiges zu bieten: Sie nennt die Menschen glücklich, die wir nicht unbedingt als erstes so bezeichnen würden - die Armen, die Trauernden, die Gewaltlosen, die Barmherzigen, die Friedensstifter. Sie fordert auf zum radikalen Verzicht auf Gewalt und Vergeltung. Sie lädt uns ein zum vertrauensvollen Beten zu einem Gott, der sich Vater nennen lässt. Sie führt plastisch vor Augen, dass der, der sein Leben auf seinen Besitz, sein Planen und Sorgen gründet, davon abhängig wird und sich sogar zum Sklaven machen kann. Sie lädt ein zur Grosszügigkeit und Barmherzigkeit gegenüber allen Menschen und fasst all dies zusammen in der goldenen Regel: „Wie immer ihr wollt, dass die Leute mit euch umgehen, so geht auch mit ihnen um.“ Das alles mag sich nicht nach einem stabilen Felsen anhören und doch gibt es unserem Leben mehr Stabilität und Grund als so vieles, von dem wir uns gewöhnlich Halt und Sicherheit versprechen.

Was wir brauchen ist ein Grundvertrauen in das Leben, das nicht von uns selbst abhängig ist. Dafür steht in unserem Glauben Gott ein, Gott, der Liebe ist und unser aller Leben hält und trägt. Was wir brauchen ist eine Ehrfurcht vor allem Lebendigen und eine Liebe zum Leben, die sich in Barmherzigkeit und Grosszügigkeit uns selbst und andern gegenüber zeigt. Haben wir nicht schon zu oft erfahren, dass die sogenannten harten Fakten das Leben eben eher hart als stabil und verlässlich machen? Könnte es nicht sein, dass es letztlich wirklich die weichen Dinge sind, die unser Leben kostbar machen und uns Halt und Sicherheit geben, die Achtsamkeit, die Fürsorge, die Liebe und vor allem das Vertrauen, das Vertrauen in den göttlichen Grund des Lebens und das Vertrauen ineinander?

Nicht Sicherheit verspricht uns Jesus, aber einen Halt, der in allen Unsicherheiten unseres Lebens trägt. Das Leben ist wohl tatsächlich eine Baustelle, die niemals vollendet ist, voller Unsicherheiten und Unwägbarkeiten. Wenn wir aber dem göttlichen Grund unseres Lebens vertrauen und unseren Mitmenschen im Geist Jesu begegnen, dann muss uns das nicht beängstigen. Dann können wir fröhlich weiterwerkeln an unserem Lebenshaus - mit all seine schönen Räumen, unseren gelungenen Projekten und mit unseren handwerklichen Fehlern und unserem Scheitern. Nicht alles hält den Stürmen stand, aber da ist einer der uns in allen Stürmen beschützt und darauf achtet, dass unser Lebenshaus nicht einstürzt.
Mit einer Art Gedicht möchte ich die Predigt beschliessen:

Wer sein Leben auf das Vertrauen gründet,
dass in allem Gottes gute Hand ihn leitet,
der wird erschüttert werden,
aber nicht fallen.
Wer sein Leben auf die Hoffnung gründet,
dass auf das Dunkel der Nacht ein neuer Morgen folgt,
der wird Grund zum Klagen haben,
aber er wird nicht aufgeben.
Wer sein Leben auf die Liebe gründet,
die niemanden aufgibt,
der wird Enttäuschungen erleben,
aber er wird reich beschenkt werden.

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