Samstag, 18. September 2010

Predigt zu Psalm 150 und Kol 3,16-17 anlässlich der Wiedereinweihung der Orgel

Liebe Gemeinde

Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum unter euch: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; singt Gott, von der Gnade erfüllt, in euren Herzen Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder. Kol 3, 16

Nun haben wir unsere Orgel wieder - frisch restauriert und neu intoniert, so wie sie die Erbauer im Jahr 1930 vermutlich gedacht hatten. Es war schon ein besonderes Erlebnis, in den letzten Wochen gelegentlich dabei zu sein, wenn Pfeife um Pfeife wieder in die Orgel eingebaut wurde und als der Intonateur dann Ton für Ton überprüft und gestimmt und das Ganze in eine gelunge Harmonie gebracht hat.
Nun haben wir sie wieder - unsere Orgel, damit sie uns dabei unterstützen kann, wenn wir den Dank unserer Herzen in Psalmen, Hymnen und geistlichen Liedern Gott singen, wie es im Kol heisst. Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen, heisst es da - und dann stehen Wort und Musik völlig gleichberechtigt nebeneinander. Damit das Wort Christi reichlich unter uns wohnen kann, feiern wir Gottesdienst. Dazu gehören Lehre und Ermahnung - also die Predigt. Aber ebenso gehören die Lieder und die Musik dazu. Lieder und Musik sagen oft mehr als viele Worte, sprechen uns auf einer anderen Ebene an. Die Klänge der Orgel berühren uns anders als die Worte einer Predigt und im Singen sind wir im wahrsten Sinne des Wortes mit Leib und Seele dabei - und die Orgel ist uns dabei Halt und Stütze. Sie legt musikalisch den Grund, in den wir einstimmen können.
Aber muss es unbedingt die Orgel sein - ein Instrument, das viel Platz braucht und kostspielig ist in Anschaffung und Unterhalt. Wenn wir an der Orgel als Instrument in unserer Kirche festhalten, dann ist das natürlich ein gutes Stück Tradition, Gewohnheit - und das ist ja gewiss nichts Negatives. Als Kirchgemeinde haben wir auch eine kulturelle Verpflichtung und Orgelmusik ist ein erhaltenswertes Stück Kultur und unsere Orgel mit ihrer pneumatischen Steuerung ist ein Kulturdenkmal, von dem man sich nicht einfach leichten Herzens trennt. Ihre grosse Spendenbereitschaft für unsere Orgelrestauration zeigt uns, dass auch ihnen unsere Orgel am Herzen liegt und dafür sind wir dankbar.
Aber ich denke es gibt darüber hinaus noch gute Gründe, die für die Orgel sprechen. Denn zumindest in zweierlei Hinsicht ist die Orgel auch ein Sinnbild für die christliche Gemeinde. Sie braucht Wind, Atem, Pneuma, damit sie erklingen kann und sie hat viele unterschiedliche Register und erst ihr Zusammenklang macht die Schönheit der Musik aus.
Das erste ist also die Luft, der Atem. Ohne Luft, ohne den Atem können wir nicht leben. Ohne Luft gibt die Orgel keinen Ton von sich. Ich habe vorhin gesagt, dass unsere Orgel eine pneumatische Steuerung hat. D.h., die Töne werden erzeugt, indem der Tastendruck Luft durch Bleirohre über Ventile in die entsprechenden Pfeifen leitet. Aber mir geht es nicht um die Technik. Pneumatisch ist nämlich nicht nur ein technischer Ausdruck aus dem Orgelbau, es ist zugleich das griechische Wort für den Atem und für den Geist Gottes. In einem mächtigen Brausen ist er an Pfingsten zugegen, im sanften Flüstern eines Windhauchs offenbart Gott sich dem Elia, als Lebensatem wird er - mit dem schönen Bild des Schöpfungsberichts - Adam in die Nase geblasen. Mit jedem Atemzug atmen wir göttlichen Geist ein und aus. So nahe ist uns Gott. Ist das nicht ein tröstlicher Gedanke, der uns mit Dankbarkeit erfüllen kann. Ich darf leben von dem Atem, den Gott mir schenkt und durch diesen Lebensatem bin und bleibe ich mit Gott und mit allem Leben verbunden.
Und das andere sind die Register. Jedes Register lässt ein anderes Instrument, eine andere Stimme erklingen.
Lobt Gott mit Hörnerschall, mit Harfe und Leier, mit Trommel und Reigentanz, mit Saiten und Flöte, mit klingenden Zimbeln, mit schallenden Zimbeln. Alles was Atem hat lobe den Herrn. So heisst es im Psalm 150. Und so soll auch die Orgel mit ihren verschiedensten Stimmen und Registern zum Lobe Gottes erklingen. Un diese Stimmen und register sind darüber hinaus ein schönes Bild für die Verschiedenheit von uns Menschen. Jeder und jede von uns ist etwas anders und wir haben unsere Eigenart. Das macht es manchmal schwierig: wenn die lauten Trompeten die feinen Flöten übertönen, wenn die schellenden Zimbeln die Harfenklänge verdrängen. Wie in einem Orchester (und wie bei Orgelwerken) soll jedes einmal zum Zug kommen, hat jedes seinen Platz, nicht alle sind Solisten, manche sind im Hintergrund. Wir alle sollen unseren Klang, unsere Farben entfalten zur Ehre Gottes, jeder mit seiner Gabe hat eine Aufgabe. Wir wollen - nicht nur bei der Orgel - all die verschiedenen Tonfarben hören und meine Frage an sie ist: welches ist ihr Klang? Was entspricht ihnen? Welcher Charakter steht ihnen am nächsten?
Ist es der majestätische Hörnerschall. Oder die Klänge von Harfe und Leier, feine Töne, die zu Herzen gehen.
Sind es eher die Streicher, die manchmal melancholisch klingen, Trauer und Schmerz ausdrücken, aber auch Jubel und Freude?
Oder die Flöten oder Pfeifen, warme Klänge vom Holz, heimelig, aber dann auch wieder virtuos, verspielt? Oder die Zimbeln? Fast wie die Glocken
sind sie brillant, sie sollen herausstechen, manchmal fast etwas schrill, auf unserer Orgel eher milde gemacht.
Oder - ich verlasse die Bilder des Psalmes und der Orgel - sind ihr Instrument vor allem die Hände, die zupacken können? oder das kluge Wort, der klare Gedanke? Oder Zeit und Einfühlungsvermögen? Oder etwas ganz anderes?
Welche Tonfarbe ist ihre? Und welche anderen Tonfarben bereiten ihnen Freude?
All die verschiedenen Tonfarben der Orgel, aber eben auch in unserer Gemeinde sind da zum Lob Gottes. Schon am Anfang des Psalms heisst es ja: „Lobt Gott in seinem Heiligtum, lobt ihn in seiner starken Feste, lobt ihn um seiner machtvollen Taten willen, lobt ihn in seiner gewaltigen Grösse“.
Oft scheint es zwar, dass ganz andere Mächte die Welt regieren, aber wie hat der frühere deutsche Bundespräsident Gustav Heinemann einmal so treffend gesagt: "Die Herren der Welt kommen und gehen, aber unser Herr kommt." Und weil wir darauf vertrauen, brauchen wir uns nicht blenden zu lassen, unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen.
Grad auch wenn wir uns nicht so elegant und grossartig fühlen, wenn wir nicht in der ersten Reihe stehen wollen. Alle sind nötig in diesem grossen Orchester Gottes, alle haben einen Platz und eine Stimme. Möge Gott seinen Wind/seinen Geist in die richtigen Kanäle leiten, damit nicht nur unsere Orgel, sondern auch die Vielfalt unserer Gemeinde harmonisch und berührend sich entfalten kann. Amen