Samstag, 24. April 2010

Predigt vom 25. April 2010 über 1. Joh 5,1-4

Liebe Gemeinde,

jeder Mensch sehnt sich nach Liebe, nach einer Liebe, die nicht an Bedingungen geknüpft ist, nach einer Liebe, die nicht immer aufs Neue gefährdet ist und nur auf Widerruf gilt. Diese Sehnsucht nach Liebe gehört zu unserem Menschsein. Sie ist eines der grossen Themen der Literatur. Sie ist das Thema unzähliger Lieder - von der Klassik bis zu Schlager und Volkslied. Und zugleich wird diese Sehnsucht in unseren menschlichen Beziehungen immer wieder enttäuscht. Die Liebe, die wir einander geben können, ist verletztlich und zerbrechlich. Bei manchem führen erlebte Enttäuschungen dazu, dass er oder sie den Glauben an die Liebe verliert. Wie aber sollte jemand Liebe geben und Liebe erfahren können, der den Glauben an die Liebe verloren hat? Denn die Sehnsucht nach Liebe verschwindet damit nicht, wir können sie nur unterdrücken oder ignorieren - um den Preis, dass unser Leben ärmer und kälter wird.
Wir spüren also die Sehnsucht nach Liebe, die zu uns gehört und uns menschlich macht und zugleich erfahren wir, dass wir solche Liebe einander nicht geben können. Ja, mehr noch, wir müssen erkennen, dass je mehr wir von einander die Erfüllung unserer Sehnsucht nach Liebe erwarten, wir einander überfordern und die Liebe, die wir suchen, oft gerade gefährden. Denn dann machen wir den anderen für unsere Enttäuschungen verantwortlich, sehen sie als Zeichen, dass der andere uns zuwenig liebt oder aber, dass wir eben nicht liebenswert sind. Doch kaum etwas kann die Liebe stärker gefährden als Vorwürfe und Forderungen nach Liebesbeweisen. Liebe lässt sich nicht einfordern oder erzwingen.
Muss sich dann aber unsere Sehnsucht nach Liebe nicht auf etwas richten, das unsere menschlichen Beziehungen übersteigt? Gibt es einen solchen Ort, ein solches Wesen, eine solche Kraft, wo diese Sehnsucht nach Liebe gestillt wird, wo ich mich wirklich bedingungslos geliebt wissen darf? Die Botschaft der Bibel erwartet diese bedingugnslose Liebe von Gott. Sie sieht sie im Neuen Testament erfüllt in der Liebe und Hingabe Jesu. „Gott ist Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“ heisst es im 1. Joh kurz vor unserem Predigttext.
Das ist die Basis für die für manche vielleicht etwas triumphalistisch klingende Behauptung, dass unser Glaube uns die Welt besiegen lässt. Denn dieser Glaube ist nichts anderes als das Vertrauen auf eine bedingungslose Liebe, die uns von allem Anfang an und bis in alle Ewigkeit gilt, auf ein Ja, das all unserem Tun vorausgeht. Die Welt besiegen hat dann weder etwas mit frommer Weltflucht noch mit christlichen Machtansprüchen zu tun, sondern allein damit, dass wir unser Lebensschiff festmachen dürfen in einer Liebe, die uns bedingungslos gilt und die wir mit unseren menschlichen Grenzen weitergeben dürfen. Wenn unser Leben so verankert ist, wird die Liebe derer, die uns wichtig sind nicht weniger kostbar, aber sie ist entlastet davon, meine Existenz, mein Selbstwertgefühl, meinen Lebenssinn allererst begründen zu müssen. Liebe kann dann freier werden von Erwartungen und Ansprüchen. Enttäuschungen stellen dann nicht mehr alles in Frage. Und wer vom anderen nicht alles erwartet, wird freier, dem anderen offen zu begegnen. Glauben heisst: Vertrauen auf Gottes bedingungslose Liebe und loslassen: Erwartungen, Forderungen, Ansprüche. Wer loslassen kann, hat die Welt besiegt und kann sich als freier Mensch auf diese Welt einlassen, auf eine Liebe die menschenmöglich ist, auf Scheitern und Neubeginn, auf dankbar erlebtes Glück und auf den Schmerz unausweichlicher Verletzungen. Wer dieser bedingungslosen Liebe vertraut, kann Liebe geben und Liebe empfangen. Und darin tun wir Gottes Willen.
Wie solche Liebe sich auf unser Leben auswirkt, das können wir nur ausprobieren und das kann jeder und jede für sein eigenes Leben nur selber entdecken. Ich möchte sie deshalb nur mit einigen Fragen einladen, sich auf diesen Entdeckungsweg zu begeben und ihnen jeweils auch die Zeit lassen, ihre eigenen Antworten im Stillen zu geben. Lassen sie sich dabei Zeit und vertrauen sie sich ihren Gedanken und Eingebungen an.

1. Angenommen, sie würden tatsächlich bedingungslos geliebt - was würde sich dadurch in ihrem Leben verändern?
Wen oder was könnten sie dann vielleicht ineinem neuen Licht sehen? Sich selbst oder einen anderen Menschen oder bestimmte Erfahrungen, gegenwärtige oder längst vergangene?

2. Wenn Gottes bedingungslose Liebe sie tatsächlich frei machen würde, Erwartungen und Ansprüche loszulassen - welche Erwartungen und Ansprüche würden sie dann zuerst loslassen? Und wer würde das als erstes merken und woran? Woran würden sie selber erkennen, dass sie loslassen können? Wo und wann ist ihnen das vielleicht schon gelungen?

3. Worin könnte sich in ihrem gegenwärtigen Leben die Liebe zu Gott zeigen? Welchem Menschen möchten sie sich neu zuwenden? Welche Schritte tun sie dabei konkret?


Unser Glaube ist das Vertrauen auf die bedingungslose Liebe Gottes. Er besiegt die Welt, wenn er uns frei macht loszulassen und einander offen und mit Liebe zu begegnen. Solchen Glauben schenke uns Gott, der die Liebe ist. Amen.

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