Predigt zu 1. Mose 9,12-17: Im Zeichen des Regenbogens
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde!
Die Geschichte, zu der der Predigttext für eure Konf gehört, kennt ihr vermutlich alle. Neben der Weihnachtsgeschichte und der Geschichte mit dem angebissenen Apfel (und da meine ich natürlich nicht das Markensymbol) ist sie eine der bekanntesten Bibelgeschichten und einigen von euch wohl im Kinderzimmer begegnet. Bestimmt haben nämlich einige eine Arche gehabt und darauf die vielen farbigen Tierfiguren hin- und herbewegt.
Die Sintflutgeschichte ist ja eigentlich eine ziemlich verrückte und auch grausame Geschichte. Sie spielt mit der Idee, dass Gott genug haben könnte von den Menschen und setzt diese Idee ins Bild. Sie erzählt von einem Gott, der sagt: Ihr baut soviel Mist. Ich habe genug von euch - und der dann die ganze schöne Schöpfung einfach in den Fluten absaufen lässt. Oder zumindest beinahe. Denn da ist noch dieser Noah, der mitten auf dem Festland eine Arche baut - und dank dieser Arche geht die Geschichte weiter. Die Sintflutgeschichte spielt mit dieser Idee - und zeigt doch am Ende, dass Gott ganz anders ist. Am Ende sagt Gott: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Und wie zur Bekräftigung heisst es dann:
1. Mose 9,12-17 lesen
Immer wenn wir einen Regenbogen am Himmel sehen, soll uns das daran erinnern, dass Gott es gut mit uns meint und zu uns steht, was auch immer geschieht. Das ist der Horizont, in dem wir leben. Ein Gott, der uns liebt und der Ja zu uns sagt und der eben nicht kleinlich unsere Leistungen belohnt und unsere Fehler bestraft. Ein Gott, der uns zeigt, dass wir uns an unseren Leistungen freuen dürfen und dass es toll ist, etwas leisten zu können - ganz unabhängig davon, welchen Lohn das bringt. Ein Gott, der uns aufrichtet und hilft, wenn wir Fehler machen, statt uns Moralpredigten zu halten und Strafen anzudrohen - selbst wenn wir tatsächlich an unseren Fehlern selber schuld sind. Das Zeichen des Regenbogens ist ein Zeichen der Grosszügigkeit und der Treue, ein Zeichen der Liebe Gottes, die sich durch nichts erschüttern lässt.
Ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, habt uns vorhin erzählt, was ihr mit dem Horizont verbindet. Euch ist klar - und das war auch in euren Beiträgen spürbar -, dass unser Horizont immer abhängig ist von dem Ort, an dem wir stehen. Ganz offensichtlich in der Natur, aber auch im übertragenen Sinn. So war in euren Beiträgen immer wieder vom Schulabschluss und der bevorstehenden Lehre die Rede. Das prägt momentan euren Horizont ganz entscheidend. Und trotzdem ist da ja noch viel mehr. Da sind die Eltern, eure Familie, mit denen ihr einen neuen Weg finden müsst, jetzt, wo ihr noch nicht selbständige Erwachsene, aber auch nicht mehr einfach Kinder seid. Da sind die Freundschaften, die für euch wichtig sind und die manchmal schön und manchmal schwierig sind. Ihr macht Erfahrungen mit der Liebe, mit Beziehungen - beglückende und enttäuschende. Ihr müsst euren Platz in der Clique und unter den Kollegen finden, euch aneinander messen. Und nicht immer geht das ohne Abstürze und schwierige Erfahrungen. Ihr müsst ein gesundes Selbstvertrauen entwickeln - auch wenn sich immer jemand findet, der schöner, klüger, beliebter, geschickter oder was auch immer ist. Und ihr müsst Bescheidenheit lernen und Rücksichtnahme in den Bereichen, wo ihr etwas besonders gut könnt. So zentral Schulabschluss und Lehre für euch sind - sie sind doch auch jetzt nicht euer ganzes Leben.
Unser Horizont ist immer von unserem Standort im Leben abhängig. Das ist einfach so. Wichtig ist nur, dass wir das nicht vergessen und plötzlich meinen, das Leben sei einfach so, wie wir es momentan sehen und was wir sehen, sei schon alles, was von Bedeutung ist. So banal das klingt, so schwierig ist es oft. Denn das heisst ja, dass wir lernen müssen, die Dinge auch mit den Augen der anderen zu sehen und damit wir das können, müssen wir uns zuerst einmal für den Horizont der anderen interessieren - gerade auch für die, die ganz andere Dinge sehen als wir oder dieselben Dinge ganz anders. Diese Toleranz und Neugier ist nicht immer einfach. Wie oft nehmen wir Fremdes zuerst einmal als Bedrohung unserer gewohnten Sichtweisen wahr statt als Erweiterung unseres Horizonts - in unserem alltäglichen Leben und in der grossen Politik. Und wir bemerken dabei gar nicht, wie ängstlich wir werden und wie wir dabei ärmer werden und Stillstand statt Lebendigkeit bewirken.
Um einen weiteren Horizont zu bekommen, braucht es Vertrauen. Wenn ich hinter meinem Horizont nur Bedrohungen und Gefahren wittere, werde ich kaum den Mut haben, den Weg dorthin beherzt zu gehen. Wenn ich den anderen vor allem misstrauisch begegne, werden sie mir kaum neue Horizonte öffnen können, weil ich dazu ja zuerst einmal auf etwas vertrauen, etwas Glauben schenken muss, was ich selber noch nicht sehen kann. Das habt ihr ja auch selbst schon vorhin gesagt, dass wir in unserem Leben immer wieder auf Menschen angewiesen sind, denen wir vertrauen können. Wir finden sie - hoffentlich - in der Familie und unter Kollegen. Aber wir müssen auch immer wieder neu Vertrauen wagen gegenüber Menschen, denen wir neu begegnen - trotz Enttäuschungen, die unvermeidlich dazu gehören.
Oft reden wir von einem weiten Horizont, wenn jemand viel weiss. Das ist nicht falsch und ich kann euch nur ermutigen, euch um Wissen und Kenntnisse zu bemühen, euch nicht nur ausbilden zu lassen, sondern auch weiterzubilden und euch auch für Dinge zu interessieren, die nicht unmittelbar zu eurer Ausbildung gehören. Aber viel wichtiger noch finde ich etwas anderes. Es gibt nämlich Menschen, die wissen unheimlich viel, sind hervorragend ausgebildet und haben es ziemlich weit gebracht. Und trotzdem ist ihr Horizont eingeschränkt, weil sie nur sich selber und den eigenen Nutzen und Vorteil sehen. Und das finde ich eigentlich die tragischste Einschränkung unseres Horizonts. Wenn wir alles danach beurteilen, was es uns bringt oder ob wir es müssen oder was dabei herausspringt, dann sind wir wirklich arm dran. Weil es nämlich zu den beglückendsten Erfahrungen im Leben gehört, wenn ich spüre, dass jemand für mich einfach so da ist und mir hilft, mich unterstützt und wenn ich spüre, dass ich selber jemandem etwas Gutes tun kann. Und ich bin überzeugt, wenn ihr jemandem wirklich eine Freude machen könnt, dann ist es euch völlig egal, ob ihr etwas dafür bekommt oder nicht. Die gute Erfahrung, die Freude des anderen ist der grösste Lohn. Mit das grösste Glück im Leben ist es, anderen etwas zu geben ohne zu fragen, ob sie es auch verdient haben und was ich dafür bekomme und wenn ich etwas Gutes erfahre, ohne dass der andere auf den ersten Blick etwas davon hat.
Und noch ein letztes - und damit kehre ich auch wieder zum Regenbogen zurück. Was wir sehen können, was sichtbar in unserem Horizont liegt, das ist nur die Aussenseite unseres Lebens - und auch davon nur ein Teil. Wenn es nicht mehr gäbe als das sichtbare und beweisbare wären wir arm dran. Ich zumindest bin überzeugt, dass wir in unserem Leben ein Grundvertrauen brauchen, dass das Leben gut ist und dass, was auch immer auf uns zukommt, ein Ja über unserem Leben steht. Für dieses Ja in unserem Leben steht Gott, steht der Regenbogen in unserem Predigttext. Er steht für die Zusage Gottes, dass er uns niemals fallen lässt, was auch immer wir tun und was uns auch widerfahren mag. Jeder und jede von uns ist für Gott wichtig, niemanden lässt er im Stich.
Ich wünsche euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, dass ihr im Horizont des Regenbogens euren Weg gehen könnt - mit dem Vertrauen, dass Gott euch Menschen schenkt, die es gut mit euch meinen, dass auch hinter dem Horizont sich für euch immer wieder neue Wege auftun und ihr auch nach Enttäuschungen und Rückschlägen wieder aufstehen könnt. Ich wünsche euch, dass ihr selbst auch anderen neue Horizonte eröffnen, für andere dasein und für sie einstehen, ihnen Freude schenken könnt. Und ich wünsche euch das Vertrauen, dass Gott eure Schritte begleitet und immer wieder einen Weg für euch weiss. Amen.
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