Samstag, 10. Dezember 2011

Predigt zu 2. Kor 1,18-24 am 11. Dezember 2011 (3. Advent)

Liebe Gemeinde,
versprochen ist versprochen – und was man versprochen hat, das muss man auch halten. Das haben wir alle von Kindheit an gelernt. Deshalb reagieren wohl die meisten von uns sehr empfindlich darauf, wenn jemand nicht einhält, was er versprochen hat, ganz besonders wenn uns dieser Mensch wichtig ist. Verlässlichkeit ist einer der wichtigsten Grundpfeiler unserer menschlichen Beziehungen, ein kostbarer Schatz, zu dem wir unbedingt Sorge tragen müssen. Und die Verlässlichkeit Gottes ist der Grundpfeiler unseres Glaubens. Wenn Gott nicht verlässlich wäre, hätten wir unseren Glauben auf Sand gebaut.
In unserem heutigen Predigttext muss sich der Apostel Paulus gegen den Vorwurf verteidigen, er habe sein Versprechen nicht gehalten, habe Ja gesagt und eigentlich Nein gemeint. Was war geschehen? Bei seinem letzten Besuch in Korinth hatte er massive Streitereien und Konflikte in der Gemeinde angetroffen, Konflikte bei denen es um Fragen des Glaubens und des christlichen Handelns ging, aber auch darum, wer das Sagen hat in der Gemeinde. Paulus wurde massiv angegriffen. Er konnte den Konflikt nicht schlichten, sondern war selber ein wesentlicher Teil des Konflikts und sah sich schweren Angriffen ausgesetzt. Enttäuscht, wütend, unter Tränen reiste er vorzeitig ab, nicht ohne einen erneuten Besuch anzukündigen oder muss man eher sagen „anzudrohen“?
Seit diesen Ereignissen waren nur wenige Monate vergangen. Paulus hatte der Gemeinde einen Tränenbrief geschrieben, der bittere und polemische Vorwürfe an seine Gegner enthielt. Sein Mitarbeiter Titus hatte diesen Brief überbracht. Es ist ihm gelungen – wahrscheinlich mehr durch sein diplomatisches Geschick als durch den Wortlaut des Briefes – die Wogen zu glätten und ein Stück Frieden und Versöhnung in der Gemeinde zu erreichen. Dabei hat er das Versprechen des Paulus, selber wiederzukommen, bekräftigt.
Der versprochene Besuch lässt auf sich warten und die Korinther werden unruhig. Die Gegner des Paulus, die sich trotz der Versöhnung kaum in glühende Befürworter verwandelt haben, beginnen vermutlich zu spotten: „Der traut sich nicht mehr zu uns. Der hat Angst. Oder es ist eben kein Verlass auf ihn. Er ist ein Jasager, aber dann ist nicht viel dahinter. Wir waren zu Recht skeptisch ihm gegenüber.“ Und seine Anhänger haben vielleicht auch angefangen, an Paulus zu zweifeln. „Wie kann er uns so im Stich lassen. Können wir überhaupt noch auf ihn zählen. Oder ist er einer, der einen Scherbenhaufen hinterlässt und dann davonläuft. Meint er auch Ja, wenn er Ja sagt?“
Gegen diese Vorwürfe und Zweifel muss Paulus sich verteidigen. Es geht um seine Glaubwürdigkeit und um die Glaubwürdigkeit seiner Botschaft. Er will kommen und er wird kommen. Aber er gibt den Korinthern auch zu verstehen, dass die Zeit dafür noch nicht reif ist. Zu sehr ist er vor kurzer Zeit noch Teil, ja Gegenstand des erbitterten und schmerzlichen Konflikts in der Gemeinde von Korinth gewesen, zu labil ist noch die Versöhnung und zu gut kennt Paulus sein schwer zu zügelndes Temperament. Ein Besuch zum jetzigen Zeitpunkt würde eher Wunden aufreissen als zur Versöhnung beitragen. Darum lasse ich euch auf meinen Besuch warten, damit es nicht wieder Tränen und Streit gibt. Ich sage nicht heute Ja und morgen Nein. Aber es gibt Situationen, wo das Ja zu euch Korinthern und das Ja zur Botschaft des Glaubens, die ich unter euch verkündet habe, besser durchzuhalten ist in der Gestalt des Nein, im vorläufigen Verzicht auf den angekündigten Besuch. Wenn ich heute nein sage zu einem Besuch, dann tue ich dies, weil ich euch liebe und weil ihr mir wichtig seid. Es kann eben hilfreicher sein, Raum zu schaffen und Pläne zu ändern als unbeirrbar an etwas festzuhalten.
Dafür bringt Paulus seine ganze Botschaft, Gott selbst ins Spiel. Gott ist mein Zeuge, schreibt er. Denn in Jesus Christus hat er Ja gesagt – und nicht Ja und Nein zugleich. Er hat Ja gesagt zu allen seinen Verheissungen. Er hat Ja gesagt zu uns Menschen. Wenn wir an Weihnachten die Geburt des Kindes in der Krippe feiern, dann feiern wir dieses Ja Gottes zu seinen Verheissungen. Wir feiern das Ja Gottes zu uns Menschen, das uneingeschränkt gilt. Gott unterläuft unsere Gewohnheiten, alles in Schwarz und Weiss, Gut und Böse einzuteilen, zu dem einen Ja und dem anderen Nein zu sagen. Bei Gott steht an erster Stelle und uneingeschränkt das Ja, das Ja der Liebe zu seiner Schöpfung, das Ja der Liebe zu uns Menschen. Und wo Gott Nein sagt, da sagt er nicht Nein zum Menschen, sondern Nein zu einem bestimmten Tun, zu einer verfehlten Einstellung, zu einem Irrweg. Wo Gott Nein sagt, da ist dieses Nein von Liebe bestimmt und getragen von seinem Ja zu allen Menschen. Gott steht zu seinen Versprechen. Er ist treu gegenüber uns Menschen. Das ist die Grundbotschaft der Bibel. Diese Zusage tönt uns aus dem Munde des Engels entgegen, der uns zuruft: „Fürchtet euch nicht. Siehe ich verkündige euch grosse Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren.“
In der Geburt Jesu bekräftigt Gott seine Verheissungen, sein Ja der Liebe zu uns Menschen. Bekräftigung der Verheissungen heisst nicht Erfüllung aller unserer Wünsche. Und es heisst auch nicht, dass die Verheissungen schon erfüllt wären. Wir sollen nicht unsere Wünsche zum Massstab aller Dinge machen, aber wir brauchen auch nicht die Welt wie sie ist schön reden. Nein, unsere Welt ist nicht die Welt des Friedens, die Gott verheissen hat. Nein, wir Menschen sind noch nicht solche, deren Handeln ganz von Liebe bestimmt ist. Es gibt noch viel zu erwarten und zu hoffen. Und es gibt noch vieles, was unseren Glauben, unsere Hoffnung und unsere Liebe ins Wanken bringen kann. Noch gehören Glaube und Zweifel zusammen. Noch fliessen Tränen, Tränen des Leids, Tränen der Wut, Tränen der Enttäuschung. Noch tun Menschen einander weh, absichtlich oder unabsichtlich oder wissen nicht mehr weiter. Trotzdem ist Gott da mit seinem Ja zu uns, mit seinen Verheissungen. Ich richte dich wieder auf, sagt er zu uns. Ich trage dich hindurch. Ich bin bei dir.
„Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja; darum sprechen wir auch durch ihn das Amen, Gott zum Lobe.“ Gottes Ja ist das erste Wort. Aber dieses Ja lädt uns ein zur Antwort. Im Vertrauen auf Jesus Christus sollen wir „Amen“ sagen. „So sei es“ heisst diese alte Gebetsformel übersetzt. Wir sollen nicht zu allem Ja und Amen sagen, sondern Amen zu dem Ja Gottes, das uns die Botschaft der Bibel verkündet, das uns in dem Kind in der Krippe begegnet. Dieses Amen sprechen wir, wenn wir an Gott festhalten – auch dann, wenn unser Weg durchs Dunkel führt, wenn die Zweifel kommen und die bedrängenden Fragen. Amen sagen wir, wenn wir warten können in Geduld, Raum schaffen und Raum gewähren, Zeit lassen für Versöhnung und Frieden. Und Amen sagen wir, wenn wir Ja sagen zu den Menschen, wenn wir versuchen, der Liebe Gottes zu allen Menschen zu entsprechen, indem wir nicht verurteilen, nicht abschreiben, nicht zerstören. Auch da, wo wir glauben, dass wir einem Menschen gegenüber Nein sagen müssen, sollten wir immer mit der Möglichkeit rechnen, dass wir im Irrtum sein könnten. Und vor allem darf dieses Nein immer nur der Position des anderen, seinem konkreten Verhalten gelten und niemals dem ganzen Menschen. Auch im Nein muss das Ja zum Menschen, das Ja der Liebe erhalten bleiben. Selbst da wo Menschen sich trennen, weil sie keinen gemeinsamen Weg mehr finden können, sollen sie sich darum bemühen, den anderen nicht als Menschen zu verurteilen oder gar zu verachten. So können wir Amen sagen zu dem Ja Gottes – in aller Vorläufigkeit und Zerbrechlichkeit, die uns Menschen in dieser Welt eigen ist.
Versprochen ist versprochen – bei Gott gilt dieser Satz uneingeschränkt. Auf seine Treue ist Verlass. Sein Ja, seine Liebe zu uns Menschen gilt ohne Wenn und Aber. Dazu ist Jesus Christus in unsere Welt gekommen, als Kind in der Krippe, zart und verletzlich. Dafür hat Jesus gelebt, ist er gekreuzigt und auferstanden. Wir dürfen hoffen, wir dürfen glauben und vertrauen. Und wir sollen wissen, dass auch der Zweifel, die Fragen dazugehören, weil die Verheissungen noch nicht erfüllt sind, weil die Welt und wir Menschen unvollkommen sind. Aber Gottes Ja kann nicht mehr zum Nein werden. „Fürchtet euch nicht“. Wer Gott vertraut, den lässt er nicht im Stich, was immer er auch getan, wie oft er auch in die Irre gegangen sein mag. Was keinen Bestand hat in unserem Leben, wozu Gott Nein sagt, das heilt er und bringt er zurecht. Er tut es, weil er uns liebt und zu uns Ja sagt. Habt keine Angst, wartet in Geduld, übt euch in der Liebe – denn euch ist der Heiland geboren. In ihm sagt Gott Ja zu allen seinen Verheissungen. Amen.

2 Kommentare:

  1. Hey, vielen Dank für die supergute Predigt!!! Hat mir sehr gut gefallen! Ich hoffe, es ist ok, wenn ich einige Sätze für meine Weihnachtsfeier zum Thema Verheißungen und Gottes Treue verwende?
    DANKE

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  2. Hallo Birgit,

    habe Deinen Kommentar jetzt erst bemerkt. Danke für das schöne Feedback - und wenn Du den einen oder anderen Gedanken brauchen konntest, freut mich das natürlich.

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